Autobranche vor Elektromobilität
Der verzögerte Abschied vom Verbrennungsmotor

Die Automobilindustrie steckt mitten im Strukturwandel: zwischen Verkehrswende, globalem Wettbewerb und politischen Hindernissen. Die Zukunft ist elektrisch, aber der Weg dorthin wird länger, teurer und ungewisser als gedacht.

    Nahaufnahme eines Auspuffrohrs eines Autos im Sonnenlicht
    Vier von fünf Neuwagen in Deutschland haben weiterhin einen Verbrennungsmotor. Ein Elektroanteil von über 80 Prozent bis 2030 scheint kaum realistisch. (picture alliance / Zoonar / Patrick Daxenbichler)
    Weltweit sind mehr als 1,3 Milliarden Autos zugelassen. Davon fahren mehr als 1,2 Milliarden mit Verbrennungsmotor – das sind über 90 Prozent. Und auch heute rollen noch vier von fünf Neuwagen weltweit mit klassischem Antrieb vom Band.
    Deutschlands Autobauer wollten eigentlich Vorreiter bei der Elektromobilität sein, doch nun erleben Verbrennerautos ein Comeback. Eine Entwicklung mit Folgen – für Industrie und Klima.

    Inhalt

    Warum bremsen viele Autohersteller ihre Elektroauto-Pläne?

    Weil die Erwartungen zu hoch und die Verkaufszahlen zu niedrig waren: Elektroautos verkaufen sich schlechter als erwartet – vor allem in Europa. Die Hersteller hatten auf schnelle „Skaleneffekte“ gehofft: Je mehr E-Auto-Modelle gebaut werden, desto günstiger sollte jedes einzelne werden. Doch diese Rechnung ging nicht auf.
    Investitionen in reine Elektromodelle rechnen sich wirtschaftlich noch nicht, denn sie sind in der Produktion weiterhin deutlich teurer – vor allem wegen der Batterien. Das macht sie für viele Kunden unattraktiv. Porsche etwa hält daher das Ziel, bis 2030 einen Elektroanteil von über 80 Prozent zu erreichen, inzwischen für unrealistisch - ebenso wie VW. Mercedes weicht ebenfalls von seinen Elektro-Only-Plänen ab.
    Viele Hersteller verlängern nun bewusst den Lebenszyklus von Verbrennermodellen – oder entwickeln sogar neue: VW investiert wieder stark in moderne Verbrenner – mit rund 55 Milliarden Euro bis 2030. Das sind 11 Milliarden Euro pro Jahr und damit knapp ein Drittel der gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben des Konzerns. Denn Verbrenner, insbesondere teure Modelle wie SUVs und Premium-Limousinen, bleiben für Hersteller profitabel und weltweit gefragt. Ihre Entwicklung ist vergleichsweise günstig, und sie erzielen hohe Gewinne.
    Deutsche Autobauer erwarten, dass E-Autos erst um 2030 ähnlich günstig herzustellen sind wie Verbrenner. Toyota und BMW halten eine rein elektrische Zukunft zudem für zu riskant und setzen auf „Technologieoffenheit“. Außerdem gibt es immer noch zu wenig Ladestationen in Deutschland, was den Ausbau ebenfalls bremst.

    Welche Rolle spielt die Politik und warum fehlt Planungssicherheit?

    Politische Entscheidungen haben den Umstieg auf Elektromobilität in Deutschland und Europa gebremst: Die Bundesregierung hat im Dezember 2023 überraschend die Kaufprämie für E-Autos gestrichen, was viele Menschen verunsichert und die Nachfrage weiter sinken ließ.
    Im Mai 2025 hat auch die EU nachgegeben: Autohersteller bekommen nun mehr Zeit, um strengere CO₂-Grenzwerte einzuhalten. Dadurch können sie weiterhin mit dem bewährten Verbrennungsmotor Geld verdienen.
    Das Balkendiagramm zeigt die Anzahl der Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland von 2003 bis Mai 2025.
    Das plötzliche Aus des Umweltbonus im Dezember 2023 – ursprünglich bis Ende 2024 geplant – führte trotz kurzfristiger Herstellerhilfen zu einem deutlichen Rückgang der Verkaufszahlen. (Statista / KBA)
    Zusätzlich wächst die Unsicherheit, weil das EU-weite Verbot für neue Verbrenner ab 2035 wieder zur Diskussion steht – konservative Parteien fordern, es rückgängig zu machen. Fachleute warnen: Solche politischen Signale behindern die Verkehrswende und erschweren die Planung für Verbraucher und Hersteller.

    Welche Märkte treiben das Wachstum von Elektroautos – und wie positionieren sich deutsche Hersteller?

    International treibt vor allem China die Entwicklung der Elektromobilität mit hohem Tempo voran. Dort ist inzwischen mehr als jedes zweite neu zugelassene Auto elektrifiziert. Die chinesischen Hersteller – allen voran BYD - setzen Standards, etwa mit einer Schnellladetechnik, die innerhalb von fünf Minuten über 400 Kilometer Reichweite ermöglicht.
    Die deutschen Hersteller geraten auf diesem Wachstumsmarkt zunehmend ins Hintertreffen. Ihr gemeinsamer Marktanteil bei Elektroautos in China lag zuletzt bei nur etwa fünf Prozent – mit fallender Tendenz. Dennoch versuchen sie durch lokale Partnerschaften und eigens für China entwickelte Modelle Boden gutzumachen.
    In Europa schwächelt die Nachfrage aufgrund hoher Preise, fehlender Ladeinfrastruktur und unsicherer Förderpolitik. In den USA hemmen kulturelle Vorbehalte, große Distanzen, der Trend zu großen Modellen (Pick-ups) und mangelnde Infrastruktur die Verbreitung.

    Welche Antriebstechnologien werden die Mobilität der Zukunft prägen?

    Vollelektrische Fahrzeuge gelten langfristig als klarer Favorit. Sie sind effizienter, wartungsärmer und klimaschonender. Ein E-Auto verbraucht pro Kilometer nur einen Bruchteil der Energie und verursacht nur ein Drittel des Treibhausausstoßes eines Verbrenners. Und: Es hat nur rund 40 bewegliche Teile im Antrieb – gegenüber 1.300 bei einem klassischen Motor. Die Elektromobilität wird sich durchsetzen. Der Verbrennungsmotor läuft aus – nur langsamer, als viele erwartet hatten.
    Aktuell sind viele E-Modelle noch zu teuer. Günstige Fahrzeuge mit großer Reichweite fehlen – vor allem für Menschen ohne eigene Lademöglichkeit. Deshalb rücken Plug-in-Hybride wieder in den Fokus. Sie lassen sich extern aufladen und können viele Alltagsfahrten rein elektrisch bewältigen. Sie gelten als wichtige Brückentechnologie, um Skeptiker langsam ans E-Auto heranzuführen. Hersteller wie Toyota setzen seit Jahren erfolgreich auf Hybridmodelle, auch deutsche Marken nehmen sie wieder verstärkt ins Portfolio auf.
    Synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) gelten als Hoffnungsträger für den Weiterbetrieb bestehender Verbrenner. Sie lassen sich theoretisch CO₂-neutral herstellen – etwa aus grünem Strom und CO₂ aus der Luft. Doch ihre Effizienz ist miserabel: Mit der Energie aus 150 Windkraftanlagen lassen sich 240.000 E-Autos betreiben – aber nur 37.500 Verbrenner mit E-Fuel. Hinzu kommt: Sie sind extrem teuer. Fast alle Fachleute halten ihren Einsatz im PKW-Bereich daher für realitätsfern.

    Was bedeutet das Verbrenner-Comeback für die Klimaziele?

    Der Verkehrssektor verursacht rund 16 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Vier von fünf Neuwagen weltweit sind immer noch Verbrenner. Selbst wenn ab morgen keine neuen Benziner mehr verkauft würden, würde der Altbestand noch über Jahrzehnte Emissionen verursachen.
    Das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen ist kaum noch zu halten. Laut Jonas Becker von der Klima-Allianz Deutschland verfehlt Deutschland sein 2030-Ziel von 15 Millionen E-Autos um voraussichtlich 6 Millionen Fahrzeuge.
    Immerhin: Es gibt auch Hoffnungsschimmer. Der Absatz vollelektrischer Fahrzeuge zieht langsam wieder an. Volkswagen etwa meldete für das erste Quartal 2025 ein deutliches Plus bei E-Auto-Verkäufen. Toyota bringt neue Modelle auf den Markt. Die Internationale Energieagentur prognostiziert, dass bis 2030 weltweit über 40 Prozent aller Neuwagen elektrisch fahren könnten.
    Arthur Kippweiler, langjähriger Berater der Autoindustrie, ist davon überzeugt, dass Benzin- und Elektroantriebe eine Zeit lang koexistieren werden und hält eine langsamere Elektrifizierung für sinnvoller: Sie ermögliche bessere Batterien, mehr Ökostrom, besseres Recycling und den Aufbau der nötigen Infrastruktur. Eine vollständige Elektrifizierung bis 2030 – oder sogar 2035 – sei unrealistisch.

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