
Chinesische Onlinehändler wie Shein und Temu locken mit günstigen Shoppingerlebnissen – und das kommt an. Die Zahl der Lieferungen aus China hat in den vergangenen Jahren massiv zugelegt. Laut EU-Kommission wurden 2024 rund 4,6 Milliarden Päckchen in die EU eingeführt, das entspricht etwa 145 Sendungen pro Sekunde. 91 Prozent dieser Päckchen kamen aus China.
Doch die chinesischen Online-Plattformen stehen stark in der Kritik, was Qualität, Umweltbilanz und Herkunft ihrer Ware betrifft. Auch sollen die Händler die Zollverordnungen nicht immer ernst genommen haben. Die EU-Kommission plant nun eine pauschale Gebühr in Höhe von zwei Euro auf Päckchen aus Ländern außerhalb der EU. Auch die USA verschärfen ihre Einfuhrregeln. Das könnte Auswirkungen aufs Geschäft in China haben und ärgert die Staats- und Parteiführung.
Inhalt
- Was planen EU und USA gegen Waren aus China?
- Wie sinnvoll ist eine Paketgebühr der EU-Kommission?
- Was bieten Onlineplattformen wie Temu an?
- Wie unterscheiden sie sich von anderen Plattformen wie zum Beispiel Amazon?
- Warum funktioniert das Konzept so gut?
- Wer steckt dahinter und welche Kritik gibt es an Temu, Shein & Co.?
Was planen EU und USA gegen Waren aus China?
Die EU-Kommission hatte erstmals im Februar 2025 eine Gebühr auf Päckchen aus Ländern außerhalb der EU ins Spiel gebracht. Nun will Brüssel nach Aussage des EU-Handelskommissars Maroš Šefčovič eine Gebühr von zwei Euro auf Sendungen an private Haushalte vorschlagen. Für Päckchen an Warenhäuser soll demnach eine Abgabe von 50 Cent fällig werden.
Die Gebühr solle dabei von der Plattform bezahlt werden, auf der Verbraucherinnen und Verbraucher bestellt hätte, erklärte Šefčovič. Onlinehändler könnten die Gebühr aber an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben, indem sie die Preise erhöhen.
Laut Tests von Verbraucherorganisationen sind über 90 Prozent der Produkte auf Plattformen wie Shein und Temu nicht mit EU-Regeln vereinbar, viele enthalten zum Beispiel giftige Chemikalien. Deshalb will die EU-Kommission die Zollkontrollen verschärfen. Das kostet Geld.
Noch sind Päckchen aus Nicht-EU-Ländern in der EU zollfrei. Das könnte sich ändern: Brüssel verhandelt über eine Reform der Zollregeln. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, diese Ausnahmeregel abzuschaffen.
Gegen die Billig-Händler Shein und Temu laufen in Brüssel außerdem Ermittlungen wegen möglicher Verstöße gegen EU-Gesetze zum Verbraucherschutz und die Regeln für Online-Plattformen. Die EU-Verbraucherschutzbehörden hatten im Februar unter anderem ein schärferes Vorgehen gegen Shein angekündigt, gegen Temu läuft bereits ein offizielles Verfahren der EU-Kommission. Nach Ansicht aus Brüssel vertreibt etwa Temu gefälschte oder sogar gefährliche Produkte. Bestätigt sich der Verdacht, drohen empfindliche Strafen.
In den USA konnten bisher Pakete mit einem Wert von bis zu 800 US-Dollar zollfrei eingeführt werden. Auch von dieser Regelung profitierten vor allem Anbieter wie Shein und Temu. Der US-Zoll hatte Anfang 2025 mitgeteilt, dass sich der Wert der zollbefreiten Pakete im Jahr 2024 auf über 1,36 Milliarden Dollar belief.
Jetzt muss verzollt werden, inklusive der von Trump neu verhängten Strafzölle gegen China. China reagierte darauf verärgert. Die USA sollten aufhören Handels- und Wirtschaftsangelegenheiten zu politisieren und chinesische Unternehmen zu unterdrücken, so ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. Chinas Führung werde sich dagegen wehren.
Wie sinnvoll ist eine Paketgebühr?
Die Einnahmen aus der geplanten Paketgebühr sollen laut EU-Kommission zum Teil den Zollbehörden zugute kommen. Ein anderer Teil soll direkt in den EU-Haushalt fließen. Rund drei Milliarden Euro könnten so laut Maroš Šefčovič in den EU-Haushalt fließen.
Die Verbraucherzentrale sieht die geplante EU-Paketgebühr kritisch. „Es ist stark zu bezweifeln, dass das dazu führt, dass Konsumentinnen auf Anbieter innerhalb der EU ausweichen“, sagt Stefanie Grunert vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Viel wichtiger seien aus ihrer Sicht die Risiken, die von vielen Produkten aus Drittstaaten ausgingen. Seit Jahren beobachte man, dass über Online-Marktplätze vermehrt Waren auf den europäischen Binnenmarkt gelangen, die nicht den hiesigen Regeln entsprechen. „Das kann sicherheitsrelevant sein, etwa bei Spielzeug mit verschluckbaren Kleinteilen oder bei Kosmetik mit verbotenen Inhaltsstoffen“, erklärt sie. Auch bei Elektronikprodukten gebe es immer wieder gefährliche Mängel, etwa CO₂- oder Rauchmelder, die nicht funktionieren.
Die Verantwortung dürfe dabei nicht allein bei den Verbrauchern liegen. Diese hätten ein Recht auf sichere, konforme Produkte, unabhängig davon, ob sie aus Deutschland, Belgien oder China stammen, erklärt Grunert. „Die Produkte richten sich an EU-Bürgerinnen, also müssen sie auch den EU-Regeln entsprechen.“ Dass Verbraucher selbst erkennen können, ob ein Produkt diese Anforderungen erfüllt, sei in der Praxis kaum möglich. Die Verbraucherzentrale spricht sich daher für eine stärkere Regulierung auf Ebene der Plattformen aus und nicht für pauschale Appelle an die Kundschaft, bestimmte Anbieter zu meiden.
Was bieten Onlineplattformen wie Temu an?
Onlineplattformen wie Temu bieten eine breite Palette an Produkten an, die von Kleidung und Elektronik bis hin zu Haushaltswaren reichen: Shampoobürsten für das Haustier, automatische Luftkompressoren, aber auch eine Smartwatch, die eine bestechende Ähnlichkeit zu Apple-Produkten hat. Das alles für ein paar Euro. Shein ist stark auf Kleidung spezialisiert.
Wie unterscheiden sie sich von anderen Plattformen wie zum Beispiel Amazon?
Temu, Shein oder Ali Express verfolgen eine aggressive Preispolitik, um Aufmerksamkeit zu bekommen, zum Teil mit Rabatten von bis zu über 90 Prozent. Dies wird durch "Dropshipping" ermöglicht: Die Produkte werden direkt von den Herstellern ab Fabrik in China nach Deutschland verschickt, ohne Zwischenhändler. So sollen neue Märkte erobert und anderen Anbietern wie zum Beispiel Amazon Konkurrenz gemacht werden.
Amazon hingegen hat eine gemischte Struktur mit Verkäufern aus der ganzen Welt, einschließlich lokaler Händler. Amazon nutzt auch eigene Lagerhäuser, um schnellere Lieferungen zu ermöglichen.
Bei Amazon wird ein großer Teil des Geschäfts durch den Marktplatz erzielt, und dieser Anteil wächst weiterhin. Gleichzeitig betreibt Amazon jedoch auch einen eigenen Handel. Bei Plattformen wie Temu ist dies nicht der Fall; sie dienen ausschließlich als Marktplatz für Händler und verkaufen keine eigenen Produkte.
Bei Temu können der Kundenservice und die Rückgabebedingungen variieren und sie sind oft weniger stringent als bei Amazon. Amazon legt großen Wert auf Kundenzufriedenheit, bietet umfangreiche Rückgaberechte und einen robusten Kundenservice.
Warum funktioniert das Konzept so gut?
Durch die direkte Verbindung zu chinesischen Herstellern und geringe Margen können extrem wettbewerbsfähige Preise angeboten werden, sogar ohne Versandkosten. Die große Vielfalt an Produkten zieht eine breite Kundschaft an - mit Rabatten und Billigpreisen besonders die Schnäppchenjäger. Und es wird weltweit versandt.
Hat man sich beispielsweise bei der App Temu registriert, greift die "Gamification-Strategie": Es werden regelmäßig neue Rabatt-Countdowns, Glücksräder oder andere Spiele eingeblendet, um zum Kauf zu animieren.
Laut Temu nutzen monatlich rund 75 Millionen Menschen in der EU die Plattform. Temu hält vor allem junge Käufer oft bis zu einer Stunde fest, um sie zum Kauf von Wegwerfartikeln zu verleiten, die sie ursprünglich nicht wollten.
Dieser Erfolg ist mit hohen Kosten verbunden. Temu investiert stark in teure Werbung, wie etwa während des Superbowls in den USA oder der Fußball-EM in Deutschland, und arbeitet mit Influencern zusammen. Dies macht den Markteintritt für Temu derzeit sehr kostspielig.
Das alles sei aber nur der erste Schritt, um eine Infrastruktur aufzubauen, vermuten Handelsexperten wie Theresa Schleicher. Langfristig könnte Temu die Preise erhöhen und damit auch andere Kunden ansprechen. Damit würde Temu zu einer Konkurrenz für Amazon oder Zalando.
Welche Kritik gibt es an Temu, Shein & Co.?
Neben der Kritik an mangelnder Qualität und Produktsicherheit gibt es auch den Vorwurf, dass chinesische Anbieter ihre Waren oft unter Wert deklarieren, um Zölle oder Steuern zu umgehen. Das verschaffe ihnen einen unfairen Vorteil gegenüber europäischen Händlern, die sich an die geltenden Regeln halten müssen.
Auch die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, die für den chinesischen Onlinehandel produzieren, stehen in der Kritik. Es gibt Bedenken hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, niedrigen Löhnen und unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen für die Arbeiter.
Ein weiteres großes Problem ist die miserable Umweltbilanz durch den weltweiten Versand und Rückversand. Hinzu kommen Verletzungen von Marken- und Urheberrechten: Viele Produkte auf chinesischen Plattformen seien gefälscht oder kopierten Markenprodukte, was den betroffenen Marken schade und Verbraucher täuschen könne, so ein Vorwurf.
Temu weist die Vorwürfe zurück. Pakete würden nicht aufgeteilt, um den Zoll zu umgehen, sondern zum Beispiel aus logistischen Gründen, sagte ein Unternehmenssprecher. „Temu verpflichtet sich, die Gesetze und Vorschriften in allen Märkten, in denen wir tätig sind, einzuhalten. Wir stellen dieselben hohen Anforderungen an unsere Lieferanten." Diese müssten relevante Unterlagen einreichen und stichprobenartige Kontrollen durchlaufen. Nicht konforme Produkte würden aus dem Verkauf genommen. Gegen Produktfälschungen werde entschieden vorgegangen, Inhaber geistiger Eigentumsrechte könnten Löschungsanträge einreichen. Temu verpflichte sich zu ethischen Arbeitspraktiken und verlange die Einhaltung aller lokalen Arbeitsgesetze.*
Verbraucherschützer aus mehreren europäischen Ländern haben eine Beschwerde gegen Temu eingereicht. Temu wird vorgeworfen, gegen EU-Gesetze für digitale Dienste zu verstoßen und manipulative Techniken einzusetzen. Zudem sei das Löschen von Kundenkonten schwierig. Die deutsche Verbraucherzentrale hatte Temu bereits abgemahnt. Temu gab daraufhin eine Unterlassungserklärung ab.*
* Hinweis: Wir haben die Stellungnahme von Temu ergänzt.
og/nba/ema